Wie wahr ist unsere Wahrheit?

Was ist die Wahrheit und was ist tatsächlich wahr? Gibt es überhaupt eine für alle Menschen gültige Wahrheit? Was ist an sich mit dieser letzten, hinter allem stehenden und für alle geltende Wahrheit? Gibt es sie überhaupt oder ist sie nur ein Produkt unseres eigenen Bewusstseins bzw. unserer Ratio, die für alles eine Erklärung sucht und parat hat?

Fangen wir mit diesen sogenannten „realen“ Wahrheiten an. Wenn mehrere Menschen ein und dasselbe Ereignis beobachten, werden sie selten alle das Gleiche wahrnehmen. Jeder einzelne von uns erfährt alles in sich und um sich herum entsprechend den eigenen Überzeugungen und Glaubenssätzen. Und wir alle haben solche Überzeugungen, erkennen aber nicht wie sehr sie unsere Wahrnehmung beschränken bzw. festlegen. Sie wirken auf alle unsere Sinne und geben den Rahmen zu allen unseren Erfahrungen. Ist man z.B. davon überzeugt, dass sobald eine bestimmte, ordnungsschaffende Person nahe an unseren Arbeitsplatz kommt, sie auch sofort alles auf unserem Arbeitstisch ordentlich sortiert, so reicht es aus zu wissen dass diese Person im gleichen Raum war und schon können wir gar nichts mehr auf unserem Arbeitstisch finden. Es wirkt unsere Überzeugung, dass sie alle von uns hingestellten Gegenstände weggeräumt und durch diesen Filter nehmen wir die vorhandene Wirklichkeit wahr. Auch wenn diese Person gar nichts berührt hat, wir sehen einfach nicht mehr das, wonach wir suchen, mag es auch genau vor unserer Nase liegen. Ein anderer, der solche Überzeugung nicht hat, wird den gesuchten Gegenstand auf Anhieb sehen.

Und so ist es mit allem. Auch mit spirituellen Wahrheiten. Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass das was wir erkannt, eingesehen, oder erfahren haben absolut wahr ist und dass es nichts anders sein kann. Und da liegt unsere Schwäche, das ist unser Fehler. Wir müssten alle unsere Wahrheiten in Frage stellen und auch alle anderen Möglichkeiten als Wahrheiten zulassen. Und das ist, zugegeben, schwierig. Es gilt auch heute noch das was Albert Einstein so schön gesagt hat:
„Es ist schwieriger eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern, als ein Atom.“

Jeder von uns kann nur so viel und etwas in solchem Maß verstehen, wie weit er in seiner geistigen Entwicklung bisher vorangeschritten ist.Dadurch wird auch unsere Sichtweise und der Grad der Erkenntnis bestimmt.Leider halten die meisten von uns unsere Erkenntnisse für die ganze Wahrheit und von dieser Voreingenommenheit sollen wir uns in Acht nehmen.Die Wahrheit ist immer individuell und polarisiert und jede Wahrheit ist, für sich genommen, wichtig und einzigartig. Hat jemand Zen-Meditationen praktiziert, dann weiß er genau worüber ich spreche. Dabei erlebt man das sogenannte Kensho, eine kurzfristige Erleuchtung, wobei man bestimmte Wahrheiten erkennt. Wenn man auf Koan „Was bin ich?“ meditiert, erlebt man die Antwort/Wahrheit: „Ich bin nichts.“ Viele bleiben dabei und denken das ist endgültige Wahrheit. Ist es aber nicht. Meditiert man weiter auf gleichen Koan kommt man zur Erkenntnis: „Ich bin alles.“ Ist Auch wahr und auch nicht die endgültige Wahrheit. Erkennen wir, dass alles eine Illusion ist, erkennen wir auch, dass die Illusion keine Illusion mehr ist. Und ALLES ist Wahrheit. Alle diese Wahrheiten sind wahr und sind nur Erkenntnisse eines und desselben Phänomens, von unterschiedlichen Standpunkten aus betrachtet.Das sind nur Fraktale (Teile) des Ganzen.Alle diese Wahrheiten bilden zusammen das EINE, das verschiedene Namen trägt und verschiedene Gesichter hat. Alle Sichtweisen und alle Erkenntnisse sind nur Teilwahrheiten genauso wie nur eine Facette (oder sogar mehrere) eines Diamanten, ein Diamant ist und doch keiner ist.

Wirklich, die letztendliche Wahrheit entzieht sich jeglichen Begriffen und ist unbeschreiblich. In ihrer Ganzheit ist sie auch unbegreiflich. Erlebt man diese letztendliche Wahrheit, erkennt man, dass alle Wahrheiten gültige Bestandteile der Welt sind und dass man sie ausschließlich durch die Teilwahrheiten beschreiben kann. Deshalb sollte man alle verschiedene Meinungen und Standpunkte zulassen und als begrenzte Teilwahrheiten betrachten sowie auch jede eigene als Wahrheit betrachtete Meinung in Frage stellen.

 

1 Kommentar

  1. Werner Schlachtner

    26.08.2016 auf 12:12

    Ein sehr gelungener Artikel, wobei ich persönlich eher zur WAHRnehmung tendiere als zu der Wahrheit. Denn genau meine eigene Wahrnehmung wird immer meine Wahrheit sein. Diese eigene Wahrheit wird jedoch meiner Meinung nach in unserer Prägungsphase von unseren Eltern vorgelebt, die unser Unterbewußtsein übernimmt und speichert.

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